von Sabine Kuegler’s Buch:
ICH SCHWIMME NICHT MEHR DA, WO DIE KRODODILE SIND
erschienen im Westend-Verlag, Frankfurt.
ISBN-10 3-86489-427-1,
ISBN-13 978-3-86489-427-5
Diese Buchbesprechung wurde verfasst von Ingrid Vallières,
mit freundlicher Genehmigung des Westend-Verlages in Frankfurt.
Sabine Kuegler’s Lebensgeschichte ist geprägt von extremen Erfahrungen und einem tiefgreifenden Kultur-Clash. Aufgewachsen im Dschungel von Westpapua, erlebte sie dort eine Kindheit ohne Fernsehen und lernte, sich unsichtbar zu machen, um zu überleben.
Mit 17 Jahren kam sie nach Europa und stand vor einem Kulturschock, da sie die westliche Welt nicht verstand. Die Geschichte ihrer außergewöhnlichen Jugend bis zum Erwachsenwerden beschreibt sie in ihrem Buch „Dschungelkind“, dieses Buch wurde ein weltweiter Millionenbestseller.
Ihr Leben nahm eine dramatische Wendung, als sie nach ihrer Rückkehr nach Europa schwer krank wurde und dies sich nach intensiven Untersuchungen und Behandlungen als mysteriöse Tropenkrankheit herausstellte. Nachdem die hiesigen Ärzte ratlos waren, gab die Aussage eines Arztes Sabine einen schicksalhaften Hinweis: „Sie müssen einen Virus aus dem Dschungel mitgebracht haben!“ Ihr innerer Impuls war stark: „Wenn die Krankheit im Dschungel begonnen hat, muss ich dorthin zurück kehren.“
In einem verzweifelten Rettungsversuch kehrte sie in den Dschungel zurück und verbrachte fünf Jahre dort, um Heilung zu finden und zu sich selbst zu finden.
Während dieser Zeit erlebte Sabine Abenteuer und Kulturen, die für die meisten Menschen kaum vorstellbar sind. Sie bereiste verschiedene Inseln, wurde zu kundigen Schamanen und Stammes-Führern begleitet, welche über vielversprechende Heilkünste verfügten. Sie begab sich vollkommen in die Hände dieser Heiler, welche ausgefallenste Heilmethoden anwendeten. Sie aß und trank ausnahmslos alle Tränke und Substanzen, die man ihr verabreichte, und sie befolgte akribisch alle Anweisungen. In einem Fall verursachte das Getränk sogar eine Vergiftung, und sie hatte das Gefühl, sterben zu müssen. In dieser mehrjährigen Odyssee verlor sie an Gewicht und an Kraft, hatte alle inneren Höhen und Tiefen durchlebt und schon gar nicht mehr mit einer Heilung gerechnet. Dann stabilisierte sie sich aber zusehends.
In dieser Zeit verschmolz Sabine noch mehr mit der Lebensweise eines dortigen Urwald-Stammes. Sie arbeitete mit den Frauen in den Gärten, teilte das Leben von Sonnenaufgang zu Sonnenuntergang. Die westliche Welt verblasste allmählich in ihrer Erinnerung. Hätte das Schicksal nicht eingegriffen, wäre sie vermutlich im Urwald geblieben.
Erst nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit ihrem Begleiter, der sie vehement an ihre Herkunft und ihre Verantwortung für ihre Familie erinnern wollte, kam sie plötzlich wieder zu sich und war sich klar darüber, dass sie endlich Verantwortung für sich übernehmen musste.
Eine wesentliche Erkenntnis durchströmte sie: «Ich bin in einer Welt aufgewachsen, wo alle Entscheidungen von der Gruppe getragen wurden. Ich muss diesen Teil meiner Persönlichkeit loswerden, wenn ich eine neue Chance in der westlichen Welt erhalten will, sie verstehen und in ihr stark werden will.»
So löste sie sich langsam vom Leben im Dschungel und bereitete sich auf die Rückkehr nach Europa vor. Sie fand zurück in ihre Familie, zu ihren Kindern und brauchte noch einige Zeit, um ihre Erfahrungen in konträren Welten zu verarbeiten.
Sabine Kuegler fand sich durch ihre intensive Erfahrung im Dschungel in einer Position wieder, in der sie zwischen den Kulturen vermitteln konnte, und ihre einzigartige Lebensgeschichte öffnete die Chance, eine Brücke zwischen den beiden Welten zu schlagen. Sie erkannte den Unterschied zwischen dem ausgeprägten Gemeinschaftssinn der Stammesmitglieder und der Individualität und dem Bedürfnis nach Sichtbarkeit und Freiheit in der westlichen Welt.
Ihre Erkenntnisse über Heilung und die Vereinigung scheinbarer Gegensätze in der Psyche sind inspirierend. Sie betont die Bedeutung, sich selbst zu überschreiben und sich der Weisheit des Lebens zu überlassen. Heilung bedeutet, Gegensätze auszubalancieren und eine großzügigere Einstellung dem Leben gegenüber zu entwickeln.
Letztendlich lehrt uns ihre Geschichte, dass Lebenskrisen dazu dienen können, Altes loszulassen und Neues anzunehmen, sowohl innerlich als auch äußerlich. Sabine Kuegler’s Lebensreise ist ein faszinierendes Beispiel für die Suche nach Identität, Heilung und einem Platz im Leben in einer globalisierten Welt.
Mein Resümee
Die Autorin hat eine außergewöhnliche Lebensgeschichte, und sie hat freiwillig extreme Erfahrungen auf sich genommen. Ich durfte sie anlässlich der Frankfurter Buchmesse im November persönlich kennenlernen, als sie ihr Buch und damit ihre Lebensgeschichte vorstellte.
Als Therapeutin ist es meine Aufgabe, die Signale und Botschaften des Lebens mit meinen Klienten rechtzeitig deuten zu lernen, um den Handlungsbedarf und die Lernaufgabe davon abzuleiten. Anhand der Geschichte von Sabine möchte ich hier auf einige Lebensgesetze aufmerksam machen:
– Anfang und Ende enthalten wesentliche Faktoren über die Thematik, die Lernaufgabe und den Verlauf eines Prozesses.
Die Kultur, in die man hineingeboren wird, stellt eine Aufgabe im Leben dar. Die familiären und gesellschaftlichen Umstände basieren auf einer seelischen Wahl-Thematik, an denen der Mensch wachsen soll. Auch wenn man sich später anderen Kulturen zuwenden oder die Herkunftsfamilie und das Herkunftsland verlassen mag, so steckt die ursprüngliche DNA und ihre Qualität im Menschen drin und will verstanden werden. Versäumte Aufgaben holen einen im Leben wieder ein – oft wenn man es am wenigsten erwartet.
Ein ‚Mischling’ oder ein Kind von Auswanderern hat genau diese Aufgabe, mehrere Kulturen miteinander zu verbinden und das Beste aus jeder Kultur zu machen.
– Dramatische aufrüttelnde Umstände sind immer ein Weckruf.
Im Falle von Sabine war zunächst die mysteriöse und unheilbare Krankheit ein Zeichen, dass ein ungelöstes Thema in ihr rumorte. Sie folgte diesem Weckruf bis hin zur letzten Konsequenz – sie ließ alles hinter sich, überschrieb sich vollständig der Behandlung der Schamanen im Dschungel, wo immer sie das auch hinführen würde. Ein Zeichen von Mut und absolutem Lösungswillen. Manchmal muss man das Ende der Fahnenstange erreichen und alles auf eine Karte setzen, bis die kompromisslose Bereitschaft für eine Veränderung wirklich ausreicht.
Der 2. Weckruf bei Sabine kam durch ihren guten Freund und Wegbegleiter, der sie nach ihrer Heilung im Dschungel aufsuchte und vehement aufforderte, sich an ihre ursprüngliche Mission zu erinnern und zu ihrer Familie zurückzukehren. Sie war mittlerweile so verschmolzen mit dem Stammesleben, dass sie diesen Freund als Feind sah und ihn tätlich angriff. Dieser Zwischenfall hätte auch tödlich enden können.
Jegliche Gefährdung des Lebens ist ein Weckruf – ob selbstverursacht durch Leichtsinn, Aggression oder Unwissenheit, oder ob fremdverursacht, ob man Opfer oder Täter ist. Vor Krankheiten, Unfällen, dramatischen Zwischenfällen ist ein Lebensthema in Konflikt geraten, das förmlich nach einer grundlegenden Bearbeitung verlangt.
– Trennung und Abspaltung sorgen für Konflikt – Verbindung und Integration bringen die Lösung.
Auch wenn man in verschiedenen Kulturen aufwächst oder sonstigen Gegensätzen ausgeliefert ist – es besteht kein zwingender Grund, diese als Konflikt zu erleben. Das „Entweder – Oder“ trennt, und das „Sowohl als Auch“ verbindet.
Das Ziel von therapeutischen Gesprächen ist es, verdrängte Inhalte dem Bewusstsein wieder zuzuführen – um eine ganzheitliche integrative Sicht der Dinge zu ermöglichen. Diese Sichtweise führt uns auch die Eigenverantwortung für unsere inneren Entscheidungen vor Augen. Niemand ist für unsere Probleme verantwortlich außer wir selbst.
In ihrem Schlusswort hat die Autorin Sabine Kuegler ihre fundierten Einsichten aus ihrem bewegten Leben sehr überzeugend formuliert:
„Ich begriff, dass ich es selbst war, die mich daran hinderte, das Leben zu führen, das ich mir immer gewünscht hatte.
Meine Ängste, und meine Weigerung, die Stammesfrau in mir loszulassen – ich musste mich aus dem Käfig befreien, den ich mir selbst gebaut hatte.
Ich musste lernen, in beiden Welten dazu zu gehören. Weder im Urwald noch im Westen war ich heimisch – aber auch keine Fremde!
Ich habe angefangen, die Menschen mit offenen Augen zu betrachten, zu interagieren, Gefühle und Kämpfe der anderen verstanden, ich entdecke Ähnlichkeiten mit meinem Konflikt.
Ich wünsche auch Ihnen, sich wie ein Adler in die Lüfte zu erheben und Ihre Talente zu entdecken, wir alle sind Teil dieser unglaublichen Welt und ihrer wahren Natur, und wir alle können lernen, nicht mehr da zu schwimmen, wo die Krokodile sind!“
Ingrid Vallières mit Autorin Sabine Kuegerl
bei der Buchpräsentation anlässlich der Frankfurter Buchmesse